Eröffnungsrede, GEHAG FORUM - Deutsche Wohnen

"... In überbordender Fülle bevölkern Comic-Figuren, Märchenwesen und Urtiere die Bildräume, aus denen sich häufig genau im Zentrum jene heldenhaften Figuren brachial herausschälen, deren Körperposen nicht selten an männliche Pinups und Models erinnern. Mit ebenso lasziver wie gespenstischer Drastik starren sie die Betrachtenden an, so als wollten sieunter Beweis stellen, dass die großen Geschichten noch nicht erzählt sind, dass die Heldenepen überlebt haben und mehr von uns Besitz ergreifen, als uns vielleicht zunächst recht ist.

Vieles in den Arbeiten von David Gessert erinnert zunächst an die Bildwelten der Kindheit und an die Geschöpfe unserer Phantasie. Auf der anderen Seite sind es aber immer wieder die Grotesken der Kunstgeschichte, die enigmatischen Bilder von Goya, Füssli und James Ensor, die sich unter die Figuren aus der Medienwelt mischen und allen Rationalen, aller analytischen Durchdringung unserer modernen Welt den Kampf anzusagen scheinen. Eingebettet sind diese vielschichtigen Reminiszenzen auf der einen Seite in eine ebenso überbordende Malerei, die sich vielfältiger Tradition bemächtigt, um eine beeindruckende Fülle zu artikulieren, welche jeder konzeptuellen Beschränkung und Entzauberung der Kunst entgegensteht.

Auf der anderen Seite entwickeln die delikaten Zeichnungsreihen von David Gessert gerade vor dem Hintergrund der modernen Bilderflut eine bezwingende neue Mythologie, in die alle Erfahrungen und Erkenntnisse der Gegenwart eingeflossen sind..."

Text (gekürzt) von Dr. Ralf F. Hartmann, Direktor Kunstverein Tiergarten, Berlin (2010)